Längere Arbeitszeiten während der Corona-Krise – Wie verändert sich die Kommunikation im Homeoffice?

Forscher der Harvard Business School haben die Kommunikationsstrukturen von Unternehmen in 16 Ballungsräumen weltweit untersucht und festgestellt, dass sich unmittelbar nach den Lockdowns die im Homeoffice verbrachte Arbeitszeit, sowie die Frequenz an Online-Austausch mit Kolleg*innen maßgeblich erhöht hat.

Im Laufe des März 2020 kam es schrittweise in immer mehr Ländern zu Lockdowns. Diese Lockdowns brachten schlagartig sowohl massive Veränderungen der Gesellschaft, als auch der gesamten Arbeitswelt mit sich. Unternehmen stellten (ob sie bereit dafür waren oder nicht) ihre gesamten Arbeitsprozesse auf Telearbeit bzw. Homeoffice um. Allerdings konnte die Frage, ob und wie man es einem Team ermöglicht weiterhin effizient in der neuen Realität kommunizieren und arbeiten zu können, zunächst nicht berücksichtigt werden. Aufgrund dessen als auch bisher fehlender Daten zur Effektivität von Telearbeit bzw. Homeoffice, begann eine Forschungsgruppe der Harvard Business School entsprechende Daten für eine Auswertung zu sammeln.

Kollaboration während der Corona-Pandemie

Bisher durchgeführte Untersuchungen zu Telearbeit bzw. Homeoffice sind aufgrund der speziellen Situation in 2020 sehr schwer zu kontextualisieren, denn zumeist wurde ein Wechsel zur Remote-Arbeit einerseits freiwillig und andererseits nur vereinzelt vollzogen (vgl. Bloom et al., 2015; Choudhury et al., 2019). Aus diesem Grund nahm sich die Forschungsgruppe DeFilippis et al. der Harvard Business School vor, die nun veränderten Arbeits- und Kommunikationsstrukturen zu untersuchen um damit eine systematische Analyse dieser neuen Arbeitsumstände präsentieren zu können.

Um den entsprechenden Fragen nachzugehen wurden aggregierte und anonymisierte Meta-Daten einer IT-Firma, die Unternehmen weltweit digitale Kommunikationskanäle bereitstellt1, untersucht. Diese Datensammlung beinhaltete die digitalen Meta-Daten über den E-Mail-Austausch und Besprechungen von insgesamt 3.143.270 Nutzer*innen in 21.478 Firmen aus 16 Ballungsräumen (definiert anhand von Metropolitan Statistical Areas). Hieraus konnte die Forschungsgruppe Informationen über die Frequenz der E-Mail-Kommunikation und der Besprechungen, sowie weitere dazugehörende Parameter entnehmen (siehe Tabelle 1). Die Aufnahme der Ballungsräume in die Studie erfolgte anhand den von der jeweiligen Regierung angeordneten Lockdowns, die für die Forscher einen klaren “Schlussstrich” bzw. Wechsel in den Arbeitsverhältnissen darstellten. Dadurch konnte die Forschungsgruppe einen großen Zeitraum abdecken (Beginn der Datenerhebung von 8 Wochen vor dem Lockdown bis 8 Wochen nach dem Lockdown) und mögliche Veränderungen in den Arbeitsgewohnheiten feststellen2.

Tabelle 1 

Besprechungszeit, in Stunden
Anzahl der Besprechungen
Anzahl der Teilnehmenden bei einer Besprechung
Länge der Besprechungen
Länge des Arbeitstages
Interne E-Mails gesendet
Externe E-Mails gesendet
E-Mail Empfänger*innen
Nach Feierabend gesendete E-Mails
Weitere erhobene Parameter der Online-Kommunikation

Ergebnisse

Wie bereits zuvor erwähnt standen zwei wesentliche Kategorien im Fokus der Berechnungen: E-Mail-Austausch und Besprechungen. Anhand dieser Kategorisierung wurden unterschiedliche Berechnungen durchgeführt, die u.a. folgende Ergebnisse aufgezeigt haben:

  • Verlängerung des durchschnittlichen Arbeitstages (um zusätzlich 48,5 Minuten)3
  • Verlängerung des durchschnittlichen Arbeitstages (um zusätzlich 48,5 Minuten)4
  • Verlängerung des durchschnittlichen Arbeitstages (um zusätzlich 48,5 Minuten)5

Neben diesen allgemeinen Untersuchungen führte die Forschungsgruppe ebenso eine detailliertere Aufschlüsselung der Daten durch. Sie berechneten die wöchentlichen Veränderungen im Vergleich bzw. anhand einer Standard Woche und dem bereits erwähnten Zeitrahmen von 16 Wochen.

Veränderte Arbeitszeit

Wie nicht anders zu erwarten, erfolgte in der Zeit unmittelbar nach den jeweiligen Lockdowns ein massiver Anstieg bei der Anzahl der gesendeten E-Mails (sowohl interne, als auch allgemeine) (siehe Grafik 1). Die ebenso klar sichtbare Verringerung dieser Zahlen im Zeitraum der vierten bzw. fünften Woche der Lockdowns erklärten die Forscher mit möglichen Abwesenheiten bzw. dem traditionellen Oster-Urlaub vieler europäischer Unternehmen.

Allerdings schien sich dennoch eine Veränderung der Arbeitsgewohnheiten herauszukristallisieren: denn obwohl sich der E-Mail-Austausch scheinbar auf ein Pre-Pandemie Niveau zurückbewegt hatte, verlängerten sich offensichtlich dennoch mit der Zeit die Arbeitstage. Dies bedeutet, dass in den Unternehmen sowohl früher, als auch später an einem Tag als gewohnt Besprechungen durchgeführt wurden und der E-Mail-Austausch ebenfalls über einen längeren Zeitraum eines Tages aufrecht erhalten wurde.

Grafik 1

Veränderungen E-Mail Austausch

Grafik im Original – © Figure 2: Impact of COVID-19 Lockdowns on Emails” (DeFilippis et al., 2020, S. 5)
Veränderte Kommunikation

Ebenso interessante Veränderungen konnten bei Online-Besprechungen festgestellt werden: an der Gesamtzeit gemessen fanden zwar kürzere Besprechungen statt, jedoch mit einer wesentlich höheren Frequenz und mit einer erhöhten Anzahl an Teilnehmenden. Hier lässt sich ebenfalls sagen, dass sich scheinbar die Einbindung der Mitarbeitenden in Besprechungen durchgesetzt hat, denn trotz der erhöhten Anzahl an Besprechungen brach die Anwesenheit nicht ein.

Grafik 2

Veränderung bei Besprechungen

Grafik im Original – © Figure 1: Impact of COVID-19 Lockdowns on Meetings” (DeFilippis et al., 2020, S. 4)
Zusammengefasste Trends

Durch die plötzlich veränderten Arbeitsstrukturen war es zu erwarten, dass Unternehmen ihre Kommunikationsprozesse anpassen müssen. Ohne die Möglichkeit (bzw. Alternative) etwaige Probleme oder strategische Fragestellungen vor Ort direkt mit den entsprechenden Personen besprechen zu können, mussten effektive Methoden gefunden werden (DeFilippis et al., 2020).

Die Forschungsgruppe DeFilippis et al. (2020) stellte anhand der gesammelten Daten fest, dass Mitarbeitende unmittelbar nach den Lockdowns ihre Arbeitsgewohnheiten massiv verändert haben: es wurden einerseits öfter Besprechungen abgehalten als zuvor und andererseits wurde ein Anstieg beim E-Mail-Austausch deutlich. In weiterer Folge bedeutete dies jedoch, dass insgesamt mehr Mitarbeitende an Besprechungen teilnahmen und ebenfalls mehr Personen in einen E-Mail-Austausch einbezogen wurden. Letztlich führte das also alles dazu, dass Mitarbeitende durch das erhöhte Kommunikationsaufkommen ihre Arbeitstage verlängern mussten.

Limitationen

Die Forschungsgruppe beschreibt vier Punkte ihrer Studie, die durch zusätzliche Prüfungen bzw. Kontrollen und die Beforschungen weiterer Daten mehr Aufschluss geben könnten: denn aus den Meta-Daten konnten DeFilippis et al. (2020) keine inhaltliche Interpretation durchführen, d.h. es lässt sich nicht sagen worüber in den E-Mails bzw. den vielen Besprechungen kommuniziert wurde. Weiters erhielten die Forscher keine Informationen über den Sektor in dem die Unternehmen tätig sind. Somit lassen sich keine breit gefächerten bzw. allgemeineren Interpretation zu veränderten Arbeitsprozessen (ev. Abhängigkeiten vom Sektor? oder eine Abhängigkeit vom herzustellenden Produkt? etc.) machen. Drittens können anhand der Art der erhaltenen Daten keine Aussagen über etwaige demografische Unterschiede gemacht werden, wodurch nicht danach gefragt werden kann, z.B. ob diese Kommunikationsstrukturen unterschiedliche Menschen anders treffen. Letztendlich erklärt die Forschungsgruppe, dass aufgrund ihrer Berechnungen zwar Veränderungen eines durchschnittlichen Arbeitstages sichtbar geworden sind, dies aber durchaus auf eine ‘den Umständen entsprechende’ allgemeine Anpassung der Arbeitsgewohnheiten darstellen könnte.

Fragen zu Herausforderungen

Eine maßgebliche Veränderungen von Arbeits- und Kommunikationsprozessen steht allen Unternehmen und deren Mitarbeitenden bevor, denn mit oder ohne Pandemie nimmt die Geschwindigkeit der digitalen Entwicklung stetig zu (das Stichwort hierbei ist Digitale Transformation). Die zuvor beschriebene Studie lenkt die Aufmerksamkeit bzw. erweckt erstmal ein Bewusstsein für einen zentralen Punkt für Unternehmen und deren Mitarbeitende: Telearbeit bzw. Homeoffice verlangt eine neue Art des Teambuildings und des Teammanagements.

Denn wie kommunizieren und lernen neue Mitarbeitende das Unternehmen und Kolleg*innen richtig kennen? Sind zahlreiche Online-Besprechungen dafür ausreichend? Und wie können Teams zusammengehalten werden bzw. möglicherweise effizienter gemacht werden (z.B. im Rahmen eines Organisationsentwicklungsplans)? Ist es mit großen Mail-Empfänger*innen-Listen und einer Vielzahl an Nachrichten getan?

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Literatur

Bloom, N., Liang, J., Roberts, J., & Ying, Z. J. (2015). Does Working from Home Work? Evidence from a Chinese Experiment. The Quarterly Journal of Economics, 130(1), 165–218. https://doi.org/10.1093/qje/qju032

Choudhury, P., Foroughi, C., & Larson, B. (2019). Work-From-Anywhere: The Productivity Effects of Geographic Flexibility (SSRN Scholarly Paper ID 3494473). Social Science Research Network. https://doi.org/10.2139/ssrn.3494473

DeFilippis, E., Impink, S. M., Singell, M., Polzer, J. T., & Sadun, R. (2020). Collaborating During Coronavirus: The Impact of COVID-19 on the Nature of Work (Working Paper Nr. 27612; Working Paper Series). National Bureau of Economic Research. https://doi.org/10.3386/w27612

Impink, S. M., Prat, A., & Sadun, R. (2020). Measuring Collaboration in Modern Organizations. AEA Papers and Proceedings, 110, 181–186. https://doi.org/10.1257/pandp.20201068

Kleinbaum, A. M., Stuart, T. E., & Tushman, M. L. (2013). Discretion Within Constraint: Homophily and Structure in a Formal Organization. Organization Science, 24(5), 1316–1336. https://doi.org/10.1287/orsc.1120.0804

Polzer, J. T., DeFilippis, E., & Tobio, K. (2018). Countries, Culture, and Collaboration. Academy of Management Proceedings, 2018(1), 17645. https://doi.org/10.5465/AMBPP.2018.17645abstract

Srivastava, S. B., Goldberg, A., Manian, V. G., & Potts, C. (2017). Enculturation Trajectories: Language, Cultural Adaptation, and Individual Outcomes in Organizations. Management Science, 64(3), 1348–1364. https://doi.org/10.1287/mnsc.2016.2671


Fußnoten